Thomas Klein
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"Mein Leben lang waren Geografie und Kartografie das Zentrum meines Universums, bis ich vor einigen Jahren das Schreiben für mich entdeckte."
Die Berliner Mauer stand für eine ganze Epoche –
sie gab uns Raum, Identität und Hoffnung
Es war, als hätte man ein Ventil geöffnet, denn ein
nicht mehr abreißender Strom von Menschen setzte
sich nun vorbei an uns Schaulustigen in Bewegung,
um ein paar Stunden die neugewonnene Freiheit zu
feiern. Tumultartige, herzzerreißend erschütternde
Szenen spielten sich ab – konnte man es ihnen ver-
denken, nach 28 Jahren eingesperrt sein? Singend
und springend klatschten sie uns ab und sangen da–
bei „So ein Tag, so wunderschön wie heute“. Viele im
ähnlichen Alter wie wir schrien und kreischten, dass
sie doch nur mal gucken wollten. Einmal den Ku'
damm sehen und danach wieder zurück nach Hause,
weil sie doch am nächsten Tag wieder arbeiten müss-
ten. Diese Wucht der Emotionen, dieser Freudentau-
mel, sie fühlten sich auf einmal so frei und losgelöst,
ich konnte das nur allzu gut verstehen. Manche, auch
sichtlich vom unbeschreiblichen Glück bemächtigt,
bekamen nicht mehr viel mit, was um sie herum ge-
schah. Sie liefen wie in einer Art Trancezustand an der
Menge und an uns vorbei. Bei den etwas älteren
Menschen sah es schon anders aus. Sie wirkten oft
gefasster, da sie nicht nur die Freude, sondern ...

Das war der Anfang vom Ende. West-Berlin die Stadt, die niemals schlief, die wie keine andere für alternati-
ves Leben und Subkultur stand, die Hoffnung, Utopie
und vielleicht auch ein bisschen Illusion zugleich war,
hörte ein Jahr später auf zu existieren.
Eine Liebeserklärung an mein West-Berlin
– Autobiografischer Roman –